Michael Ruetti | 5. September 2022 | 4 Min. Lesezeit
Werfen Sie komplizierte Markenmodelle über Bord. Es braucht wenig, damit Menschen Sie mögen und über Sie sprechen. Doch das muss richtig gemacht werden.
Wann war das letzte Mal, dass eine Vision oder ein Leitbild einer Marke Ihr Leben inspiriert haben? Meine Antwort: nie. Und meine Beobachtungen im persönlichen Umfeld unterstützen diese Antwort: Die meisten Menschen wissen nicht einmal, warum es diese Konstrukte von Markenstrategie, -sytematik etc. gibt, geschweige denn, dass sie sie verstehen.
Vergessen Sie komplizierte Markenmodelle
Ich bin seit 20 Jahren in der Markenberatung tätig und habe viele verschiedene Markenmodelle und -plattformen kennengelernt – die meisten davon komplex und/oder unflexibel. Einige sogar dogmatisch. Ich habe den Eindruck, dass viele der Modelle sehr oft eine Möglichkeit für Berater:innen (oder Universitätsprofessor:innen mit Nebenjob) sind, sich als unentbehrlich darzustellen. Die Idee hinter diesem Ansatz ist einfach: Jede und jeder kann es machen, wenn es zu einfach aussieht. Aber wenn es niemand versteht, dann muss es wissenschaftlich sein. Das ist zwar bizarr, funktioniert aber immer noch als Geschäftsmodell für Agenturen und Beratungen.
Ein Blick zurück
Woher kommt das alles? In den Anfängen, die bis in die späten 1970er Jahre andauerten, ging es im Marketing nur um das Produkt. Kaum jemand sprach über Branding, und wenn doch, dann immer in Verbindung mit einem physischen Produkt, seinen Vorteilen und Eigenschaften. In den 1980er Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt auf das Image. Die Vermarktungsbranche erkannte, dass man nicht gemocht wird, wenn Image und Produktmerkmale nicht übereinstimmen – sogar in der Vor-Facebook-Ära. Ein einfaches Missverhältnis zwischen Versprechen und Erfahrung führte zu Frustration. Die Menschen wandten sich von Marken ab, die zu viel versprachen, und hielten ihre Portemonnaies geschlossen. In den 1990er Jahren verlagerte sich das Gespräch dann auf die Markenidentität, die durch Markenwerte definiert wird. Schliesslich hatte jede zweite Marke Qualität und Flexibilität in ihrem Kern. Wir sollten dankbar sein, dass sich diese Geschichte im aktuellen Jahrtausend nicht wiederholt hat. Stattdessen fand in den 2000er Jahren ein Paradigmenwechsel statt, der immer noch im Gange ist: die Entdeckung der Nutzerin oder des Nutzers.
Was braucht man wirklich, um eine Marke aufzubauen? Ein klares Versprechen. Nicht mehr und nicht weniger. Sie müssen dabei zwei Perspektiven miteinander verbinden:
Es geht um Interaktion, um eine soziale Interaktion.
Eine Marke ist ein Versprechen
Eine Marke wird nicht durch einen Satz auf einem Stück Papier definiert, sondern durch das, was die Menschen durch Erfahrungen in ihren Herzen und Köpfen erreichen. Kümmern Sie sich nicht zu sehr um das richtige Werkzeug. Überlegen Sie, welche Rolle Ihre Marke im Leben der Menschen, die Sie ansprechen, spielen kann. Wenn Sie für deren Leben nicht relevant sind, warum sollten sie sich dann für Sie interessieren? Überlegen Sie, welche Wirkung Ihre Marke haben kann. Formulieren Sie dann ein prägnantes und relevantes – aus Sicht der Nutzer:innen – Versprechen. Dieses Versprechen ist die Richtschnur und die Grundlage für alles, was Sie aufbauen – sei es Kommunikation, Produktmerkmale, Markendesign oder irgendetwas anderes. Sie müssen dieses Versprechen einlösen, um ein überzeugendes Nutzererlebnis zu schaffen. Wenn Ihnen das gelingt, werden die Menschen Sie mögen und über Sie sprechen – und Sie werden die Früchte dafür ernten.
Je konkreter, desto wirkungsvoller
Wenn Sie Ihr Versprechen definieren, seien Sie ehrlich zu sich selbst – und ziehen Sie Ihre Mitarbeitenden mit ein. Denn diese werden das Versprechen in den Markt tragen. Ein Versprechen muss für alle klar und verständlich sein, ganz unabhängig davon, ob es sich um ein Startup oder einen Grosskonzern handelt: Nichts ist schlimmer als eine Firma mit sieben verschiedenen Versprechen. Ein Versprechen muss also spezifisch sein und eindeutig messbar.
Ein Schweizer Bierbrauer sollte also nicht sagen: «Wir wollen der beste Bierbrauer in der Schweiz werden». Besser wäre: «Wir wollen bis 2023 der grösste Hersteller von Premium-Bier in der Schweiz sein.» Wenn das ganze Unternehmen dieses Versprechen an sich selbst teilt, wird es für alle Angestellten einfacher, Entscheidungen zu treffen und zu überprüfen, ob die Ziele auch erreicht werden.